Kindergarten vor den Trümmern seiner Existenz
Rosenheim – Das Hochwasser hat den Kindergarten Sonnenschein in Oberwöhr völlig zerstört. Seit den Morgenstunden sind nun Eltern und Verantwortliche bemüht, das Chaos zu beseitigen. Dielen werden herausgerissen, Spielzeug wird nach draußen gebracht und vom Schlamm befreit – es ist kein schöner Anblick im Kindergarten „Sonnenschein“ in Oberwöhr in diesen Stunden. Hier versuchen Eltern und Verantwortliche nach dem Hochwasser am 04.06., zu retten, was zu retten ist.
Viel bleibt ihnen nicht mehr, so die Einrichtungsleiterin, Edit Michel. Diese ist den Tränen nahe, als sie rosenheim24 im Videointerview erzählt, was die Zerstörung des Kindergartens für sie bedeutet. Den Kindergarten, der sonst 20 körper- und mehrfach behinderte Kinder betreut, gibt es schließlich schon zehn Jahre lang. Erst vor wenigen Jahren ist er in Eigenleistung renoviert worden – etwa 300 Arbeitsstunden haben vor allem die Eltern der Kinder reingesteckt.
Das Hochwasser, das zuletzt bis zu 60 cm hoch im Kindergarten stand, hat nun alles zerstört. Deshalb sucht Edit Michel nach einer Übergangslösung für ihre 20 Schützlinge, die bis dahin bei ihren Eltern bleiben müssen. Da sich diese aber durch ihre Arbeit nicht rund um die Uhr um ihre Kinder kümmern können, hofft der Kindergarten nun auf Hilfe durch die Stadt Rosenheim. Doch bis dahin heißt es: Ärmel hochkrempeln und das Hochwasserchaos beseitigen.
Dankesschreiben für die Spende zum Wiederaufbau des Kindergarten Sonnenschein
Sehr geehrte Damen und Herren der Europäischen Kinderhilfe e.V.
für Ihre Spende sagen wir ganz herzlich Dankeschön. Damit haben Sie einen wertvollen und wichtigen Beitrag geleistet, um unseren Kindergarten schnellstmöglich wieder für unsere Kinder herrichten zu können. Als wir 2 Tage nach der Flut gesehen haben, wie sehr der Kindergarten getroffen wurde, waren wir alle geschockt und konnten uns gar nicht vorstellen, wie es weitergehen sollte.
Dank Ihrer Hilfe und der vieler anderer hilfsbereiten Menschen sehen wir jetzt den nächsten Monaten wieder zuversichtlicher entgegen.
Die Kinder haben zum Glück Unterschlupf im Pfarrkindergarten in Kolbermoor gefunden, wo sie jetzt bleiben können, bis der Kindergarten Sonnenschein wieder hergestellt ist. In den nächsten Monaten wird es sehr zu tun geben, aber wir hoffen, dass der Betrieb im Kindergarten Sonnenschein bald wieder in gewohnter Weise aufgenommen werden kann.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns nicht früher gemeldet haben, da wir sämtliche Verwaltungsarbeit ehrenamtlich erledigen und dabei unsere behinderten Kinder versorgen müssen.
Nochmals Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Brühl
ehrenamtl. Vorstand
Noch schöner als vorher
Die Hochwasser-Katastrophe im Juni hatte den Kindergarten „Sonnenschein“ in Oberwöhr komplett geflutet. Das Wasser hatte den Boden aufgeschwemmt, die Trockenbauwände zerstört und alle Einrichtungsgegenstände unbrauchbar gemacht. Der Kummer bei Eltern, Kindern und Erzieherinnen war groß. Die Hilfsbereitschaft, die darauf folgte, war überwältigend. Beim „Tag der offenen Tür“ am Samstag erstrahlte die Einrichtung im neuen Glanz.
Die Kinder des Kindergartens „Sonnenschein“ konnten im November ihr Domizil in Oberwöhr wieder in Besitz nehmen. Die Renovierungsarbeiten der vergangenen Monate haben sie aber noch nicht vergessen, wie eine der Vorführungen am Samstag beim „Tag der offenen Tür“ bewies. Foto : Schlecker
Rosenheim – Der Kindergarten „Sonnenschein“ ist ein Teil der konduktiven Tagesstätte. Träger ist der Verein „Fortschritt Rosenheim“. Die Einrichtung hatte gerade ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert, die erste Renovierung lag noch nicht lange zurück, als die Fluten alles zerstörten. Der Schaden wurde bereits in den ersten Tagen auf über 150000 Euro beziffert. Es stand die bange Frage im Raum: „Wie soll es jetzt weitergehen?“.
Die enorme Welle der Hilfsbereitschaft, die folgte, wird auch Einrichtungsleiterin Andrea Papné nie vergessen. „Das war unglaublich“, erinnert sie sich. Viele Spender und Sponsoren von nah und fern sicherten sofort finanzielle Unterstützung zu. Andere kamen, um beim Aufräumen und Renovieren tatkräftig mitanzupacken.
Betreut nach der Petö-Methode – benannt nach einem ungarischen Professor – werden in der Einrichtung rund 20 körper- und mehrfach behinderte Kinder. Für ihre Betreuung musste nach der Flut eine Übergangslösung gefunden werden. Fünf Monate kamen sie mitsamt ihren Erzieherinnen im Kindergarten der Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit in Kolbermoor unter.
„Dort war es sehr schön. Wir wurden herzlich aufgenommen. Inklusion wurde erlebbar“, erzählt Papné über diese Zeit. Trotzdem ist sie jetzt froh, dass der Kindergarten „Sonnenschein“ nun wieder nutzbar ist: „Daheim ist eben daheim.“
Seit November werden die Kinder bereits wieder in Oberwöhr betreut. Sämtliche Räumlichkeiten sind renoviert. „Es ist sogar noch schöner geworden als vorher“, freut sich Elternbeirätin Beate Niedermayr. Ihr dreijähriger Sohn Hannes stimmte ihr da am „Tag der offenen Tür“ statt vieler Worte mit einem strahlenden Lächeln zu. Wie alle anderen Buben und Mädchen auch, fühlt er sich wieder rundum wohl in seinem Kindergarten.
„Durch die enorme Spendenbereitschaft haben unsere Kinder nun die bestmögliche Gestaltung und Einrichtung bekommen“, freut sich Sylvia Rieder, die in der Tagesstätte für die Verwaltung zuständig ist. Neu ist zum Beispiel eine Fußbodenheizung. „Die tut den Kindern besonders gut, denn viele von ihnen bewegen sich viel auf dem Boden“, so Rieder. Holzböden sorgen für Helligkeit. Frische, kräftige Farben an den Wänden strahlen Fröhlichkeit aus. Völlig umgestaltet wurde auch das Bad: Die Dusche ist jetzt barrierefrei.
Besonders stolz ist der Verein „Fortschritt“ aber auf seinen „Snoezelen-Raum“. Das Konzept dafür stammt aus den Niederlanden und wurde in den 1970er-Jahren entwickelt, um Menschen mit sensorischen Störungen und Behinderungen einen behaglichen Ort der Ruhe und Entspannung zu bieten. Es gibt eine gemütliche Sitz- und Liegelandschaft, ruhige Musik im Hintergrund, eine kleine Wassersäule und Farbprojektionen an den Wänden.
Beim „Tag der offenen Tür“ konnten nicht nur die neuen Räumlichkeiten inspiziert werden, die Besucher durften auch erleben, wie der Alltag in dieser Einrichtung aussieht. Es gab Voträge über die konduktive Förderung ebenso wie die Möglichkeit zum persönlichen Erfahrungsaustausch mit den Konduktoren.
Betreut und gefördert werden in dieser Petö-Einrichtung Kinder mit unterschiedlichen Behinderungsbildern ab sechs Monaten bis ins Schulalter. Im Mittelpunkt der ganzheitlichen Förderung steht die Selbstständigkeit in allen Lebensbereichen. Aber auch Spiel, Musik, Theater und Kreativität haben im Petö-Kindergarten einen hohen Stellenwert. Zusätzlich werden Kooperationen in den Bereichen Logopädie, Neurologie und Orthopädie einschließlich Orthopädietechnik angeboten. Die Kosten für einen Kindergartenplatz werden in der Regel vom Bezirk Oberbayern übernommen. Wer sich dafür interessiert, kann sich mit dem Konduktiven Förderzentrum in Oberwöhr unter der Telefonnummer 809040 in Verbindung setzen.
Für die Einrichtungsleiterin Andrea Papné zählt jetzt nur noch der Blick nach vorn: „Alle Arbeiten sind geschafft. An das Hochwasser wollen wir nun nicht mehr denken.“